Ich sehe mich selbst als einen lernenden SEO. Das heißt, ich habe die Wahrheit nicht mit Löffeln gegessen und bin überzeugt, dass SEO keine exakte Wissenschaft ist. Vieles ist einfach zu implementieren, wenn es um Technik geht. Aber vieles benötigt auch Erfahrung und ein tiefes Verständnis dafür, wie bestimmte Dinge funktionieren. Wenn man dann noch guten Content erstellen möchte, benötigt man umso mehr ein Verständnis dafür, wie Menschen ticken und wonach sie suchen.
Fallbeispiel aus der Praxis
Im Laufe der Zeit (wenn man es genau betrachtet, bin ich schon seit 20 Jahren auf dem Feld, aber ich arbeite erst seit ein paar Jahren professionell auf diesem Gebiet) trifft man immer wieder auf interessante Fälle. In einem solchen Fall war ich aber erstaunt über die Inkompetenz von SEO-Expert:innen aus einer der größten Agenturen Deutschlands.
Stellt euch bitte Folgendes vor:
- du fängst neu in einer Firma an.
- dein Chef erklärt, dass bestimmte Seiten des Online-Shops nicht indexiert werden.
- Das Problem besteht seit zwei Jahren und die SEO-Agentur kommt nicht weiter.
- Die Seite wurde mit React und JavaScript erstellt.
- In der technischen Überprüfung der Seite stellst du als SEO fest, dass alle 480 betroffenen Seiten im Indexierungsbericht durch die Google Search Console als Duplikate markiert wurden.
- Im Gespräch mit der SEO-Agentur erfährst du, dass man Canonical-Tags einsetzen möchte, damit Google diese Seiten nicht mehr als Duplikate ansieht.
- Weitere Vorschläge zur Lösung des Problems werden nicht gemacht.
Wie wärst du vorgegangen?
Bevor du jetzt weiterliest, was hättest du getan? Wieso denkt Google, 480 Seiten deiner Website sind Duplikate? Was wäre der vernünftigste Schritt aus deiner Erfahrung heraus? Und so als Tipp: Das sind Grundlagen der technischen SEO-Überprüfung.
Ich habe als technischer SEO zwei Tools benutzt. Zum einen habe ich mir in der Google Search Console eine Live-Überprüfung einer der betroffenen Seiten angeschaut. Zum anderen habe ich mit Screaming Frog jeweils eine gerenderte Version der 480 Seiten erstellen lassen und mir die Bilder angeschaut, wie die Seiten in der mobilen Ansicht ausschauen.
Des Rätsels Lösung – React-Programmierung
Wenn man eine Seite mit React oder grundsätzlich mit JavaScript baut, ist es häufig so, dass man eine dynamische Seite baut. Wenn dann der dynamische Code Inhalte erst im Kontakt mit dem Client rendert, kann es Probleme geben. Das wissen alle SEOs, die mit JavaScript zu tun haben. Auch Agenturen sind hier mittlerweile auf dem aktuellen Stand der Technik.
Die Agentur, mit der ich es zu tun hatte, wusste das nicht oder hat es sich einfach zu bequem gemacht. Sie hat sich jedenfalls nicht die Mühe gemacht, eine gerenderte Version der Seiten anzuschauen. Hätten sie das nämlich getan, hätten sie erkannt, dass die 480 Seiten sowohl vom Code her als auch von der gerenderten Version her immer gleich aussehen.
Der Inhalt wird nämlich erst beim Client gerendert, nachdem der tatsächliche Inhalt aus einer Datenbank geladen wird. Diese Verzögerung ist das Problem gewesen. Denn wann immer Google sich eine dieser Seiten angeschaut hat, hat es den Code zum Rendern der Seite nicht ausgeführt. Entsprechend sahen alle Seiten für den Google-Crawler gleich aus.
Fazit
Ich habe am Ende dieser Erfahrung empfohlen, die Zusammenarbeit mit der Agentur zu beenden. Gleichzeitig habe ich die IT gebeten, die Daten für die betroffenen Seiten in einer gecachten Version abzulegen, sodass diese für mindestens 24 Stunden immer verfügbar sind und direkt an den Client ausgeliefert werden. Die Seiten wurden dann innerhalb von sechs Wochen komplett indexiert, da der neue Prozess der Darstellung hier direkt die tatsächlichen Seiten anzeigte.
Google versteht heute und auch in Zukunft immer besser JavaScript. Mittlerweile kann Google sogar klicken oder scrollen. So ist die Indexierung von Inhalten deutlich besser geworden. Allerdings muss man die Dinge auch so programmieren, dass Google damit zurechtkommt. Es gibt hier mittlerweile auch von Google selbst Empfehlungen zum Thema SEO und JavaScript.
Wenn man als Programmierer einer Seite vergisst, dass Client-seitiges Rendering am Anfang nur einen Code darstellt, der erst noch eine Seite erzeugen muss, kann man schnell in Teufels Küche gelangen. Daher entweder selbst prüfen, wie am Ende die gerenderte Seite ausschaut oder einen guten SEO-Spezialisten oder technischen SEO zurate ziehen. Das ist übrigens vor einem Relaunch und vor dem Beginn der Arbeit obligatorisch. Just saying.
SEO-Fallbeispiel – React, JavaScript und SEO