Es gibt so Fragen, die einem aufkommen, obwohl andere vielleicht nie intensiv darüber nachdenken. Und dann weiß man oft nicht, wen man fragen soll. Ich hatte einen solchen Moment, als ich mitten in einem Ramadan am 9./10. Tag den Abschnitt des Korans für diesen Tag las. Man stößt nämlich auf die Sure at-Tauba (die Reue).
Ein besonderes Kennzeichen dieser Sure (Kapitel) ist der Anfang. Denn anders als bei anderen Kapiteln aus dem Koran wird hier am Anfang nicht die Basmala („Im Namen Allahs, des Allerbarmers, des Barmherzigen“) aufgeführt. Dies liegt daran, dass die Gefährten des Propheten (ﷺ) es auch nicht anders notiert haben. Das Fehlen der Basmala ist Absicht.
Fragen und Tafsir
Die Fragen, die sich hier häufig ergeben, betreffen die Gründe für die Weglassung. Für Menschen wie mich geht es in erster Linie jedoch um technische Fragen. Was mache ich eigentlich, wenn ich nicht am Anfang in die Sure einsteige, sondern mittendrin? Was tue ich, wenn ich direkt von der Sure al-Anfal, also der Sure davor, einsteige? Muss ich dann ebenfalls die Basmala weglassen? Oder doch aufsagen?
Solche Fragen können selbst einfache Hodschas aus der Fassung bringen, wenn sie sich nie mit dieser Frage vorher beschäftigt haben. Die Antwort auf diese Frage ist übrigens ein gutes Zeichen dafür, ob jemand je einen Tafsir (Exegese) in der Hand gehabt hat, sich damit beschäftigt hat oder halt nicht. Denn die Antworten auf solche Fragen wurden bereits in sehr frühen Exegese-Werken behandelt.
Warum fehlt die Basmala am Anfang der Sure at-Tauba?
Die Gelehrsamkeit im Islam kennt dafür meist zwei mögliche Gründe:
- Einige vermuten, dass die Sure eine inhaltliche Fortsetzung der vorherigen Sure (al-Enfal) sein könnte. Diese Erklärung ist allerdings umstritten, da es hierfür keine eindeutigen Beweise und Überlieferungen gibt. Kritiker wenden ein, dass die Basmala dann nur zwischen diesen beiden Suren entfallen müsste – doch die Sure at-Tauba wird stets ohne Basmala begonnen.
- Die Mehrheit der Gelehrten erklärt das Fehlen der Basmala damit, dass die Sure at-Tauba mit einer besonders strengen Warnung und einer deutlichen Aufkündigung der Verträge gegenüber den Götzendienern (Ungläubigen) beginnt. Da die Basmala jedoch Barmherzigkeit und Sicherheit ausdrückt, wäre ein solcher Kontrast unpassend.
Unabhängig von diesen unterschiedlichen Interpretationen besteht Einigkeit darüber, dass die Basmala an dieser Stelle bewusst nicht geschrieben und rezitiert wird. Dies geht unmittelbar auf den Propheten Muhammad (ﷺ) zurück, der die Basmala am Anfang dieser Sure nicht niederschreiben ließ. Und auch bei der endgültigen Sammlung des Korans in schriftlicher Form, nach dem Tod des Propheten (ﷺ), wurde der Verzicht auf die Basmala bestätigt und beibehalten. Dieser Sachverhalt unterstreicht, wie sorgfältig die Gefährten (ra) darauf achteten, den Koran so exakt und unverändert wie möglich zusammenzutragen und zu überliefern.
Und was ist mit der Basmala, wenn ich mitten in der Sure at-Tauba einsteige?
- Wer die Rezitation direkt am Anfang der Sure at-Tauba beginnt, spricht lediglich die Schutzformel („Aʿūdhu billāhi…“), nicht aber die Basmala.
- Wer mitten in der Sure anfängt, spricht sowohl die Schutzformel als auch die Basmala.
- Beim Übergang von der Sure al-Enfal zur Sure at-Tauba entfallen sowohl Schutzformel als auch Basmala, und die Rezitation wird nahtlos fortgesetzt.
Quellen: Tafsir Diyanet; Razi XV; Maududi II 179; Ibn Kathir, Tafsir, at-Tauba and Basmala
Sure at-Tauba und die Basmala